Island 2002

4.8.2002

Ankunft auf Island

Abflug in Düsseldorf 21.30 Uhr mit LTU. Nach ca. 3 Stunden Flugzeit Ankunft in Keflavik gegen 23.00 Uhr Ortszeit (Island mit seiner Greenwich-Zeit und ohne Umstellung auf Sommerzeit „hinkt“ im Sommer 2 Stunden hinter unserer MEZ hinterher). Übernahme unseres Leihwagen, eines Lada Niva 4×4 und Fahrt bei strömendem Regen 45 km nach Reykjavik. Unterkunft im Gästehaus (Gistiheimili) Jörd bei einer alten Dame, die niemals lachte, was wir anfänglich auf unsere späte Ankunft gegen 0.30 Uhr zurückführen, was sich aber schließlich als eigenständige (gar nicht unangenehme) Wesensart herausstellt. Das Zimmer und die Sanitärräume sind ordentlich, das Frühstück (mit Büfett) am nächsten Morgen ist reichhaltig und vielfältig.

5.8.2002 – 1. Tag

Stadtbummel Reykjavik, Fahrt nach Geysir über Pingvellir

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Wir wachen in Reykjavik bei strömendem Regen auf, entschließen uns aber dennoch zu einem Stadtbummel und tatsächlich hört der Regen allmählich ganz auf. Die Stadt wirkt wie ausgestorben, später erfahren wir, daß der erste Montag im August auf Island ein Feiertag ist, wie man uns sagt, ein Feiertag der Geschäftsleute. Wir schlendern durch die Fußgängerzone, den Hafen und halten uns schließlich länger an der Hauptkirche Reykjaviks, der sogenannten Hallgrimskirche auf. Dieses Bauwerk aus Beton wurde nach 40jähriger Bauzeit erst 1986 fertiggestellt und ahmt isländische Landschaften mit ihren Zerklüftungen, Gletschern und Basaltformationen nach. Vor der Kirche steht auf einem bugförmigen roten Granitsockel das Standbild des Leifur Eiriksson, der nach Überzeugung der Isländer noch vor Kolumbus Amerika entdeckt hat. Die Hallgrimskirche ist wegen ihrer Größe und ihrer Position auf einem Hügel nur schwer fotografisch abzubilden. Wegen des Feiertages ist sie geschlossen, so daß wir sie nicht von innen anschauen können.

Mittags verlassen wir Reykjavik Richtung Pingvellir und Geysir. Am Pingvallavatn erste Landschaftsfotos. Der Pingvallavatn ist der größte natürliche See Islands (83,7 km2 Ausdehnung, 114 m größte Tiefe). Er verdankt seine Entstehung besonderen tektonischen Verhältnissen: Das gesamte Seegebiet sinkt stetig ab und füllt sich mit Wasser. Die beiden Inseln im See, Sandey und Nessjaey sind erloschene Vulkankrater. Am Nordufer des Sees erreichen wir Pingvellir mit seinen berühmten Erdspalten und Rissen. Hier ist sehr deutlich erkennbar und nachvollziehbar, wie die eurasische und die nordamerikanische Kontinentalplatten auseinanderdriften. Diese Drift erfolgt auf Island mit einer Geschwindigkeit von ca. 4 mm pro Jahr und ist der eigentliche Grund für die zahlreichen vulkanischen Vorgänge und damit für die Entstehung Islands überhaupt. So ist die südlich der isländischen Küste (und zu den Westmänner-Inseln gehörende) Insel Surtsey erst in den Jahren 1963 bis 1967 durch einen Vulkanausbruch entstanden, ist heute 2,5 km2 groß und der Kraterberg ist 188 m hoch. Aber zurück nach Pingvellir: Überall in diesem Gebiet finden sich kleine bis riesige Risse in der Landschaft. Der größte Riß ist bekannt als sog. Allmännerschlucht (Almannagjá). Hier trat seit 930 n. Chr. das Parlament der Insel, der sog. Althing zusammen. Es wurden Gesetze verkündet, Recht gesprochen und Todesurteile vollstreckt. Die jährliche Zusammenkunft war aber auch zugleich ein gesellschaftliches Ereignis. Man war schließlich sonst das Jahr über isoliert auf seinem Einsiedelhof. Heute ist die Schlucht eine internationale Begegnungsstätte. Für die Isländer ist sie ihr Nationalheiligtum. Am Rande der Schlucht steht eine im Jahre 1857 erbaute kleine Kirche mit Pfarrhaus am Fluß Öxará. Nicht weit davon entfernt wurden im Mittelalter zum Tode verurteilte Frauen in einem See ertränkt. Die Gründer des Althing haben übrigens den Fluß Öxara umgeleitet, so daß er als Wasserfall in die Almannagjá stürzt. Man glaubte im Altertum und Mittelalter auf Island, daß Wasserfällen Schutzgeister oder sogar Götter innewohnten. In der Umgebung der Allmännerschlucht stehen mehrere Vulkane, der größte ist der Schildvulkan Skjaldbreidur (1060m).

Die Fahrt von Pingvellir nach Geysir ist ohne besondere Höhepunkte. In Geysir sind wir untergebracht im Hotel Geysir und da in einer kleinen Holzhütte direkt unterhalb der Warmwasserquellen. Die Holzhütte beherbergt auch eine kleine Küche, insgesamt ist die Unterkunft sehr ordentlich. Vom Speiseraum des Hotel Geysir aus hat man einen guten Blick auf den alle 10 bis 20 min spuckenden Geysir mit Namen Strokkur (=Butterfass). Die Bedienung spricht uns auf deutsch an und es stellt sich heraus, daß die junge Frau nach dem Abitur für 1 Jahr in Island als Hotelangestellte arbeitet, vermittelt durch die Bundesanstalt für Arbeit.

Wir machen natürlich noch abends Fotos vom recht aktiven Strokkur und dem nicht mehr so regelmäßig tätigen Geysir sowie von den anderen zahlreichen heißen Quellen und Dampfaustritten. Der Geysir selbst, die größte Springquelle Islands, die allen anderen heißen Springquellen auf der Welt ihren Namen gab, stellte 1916 plötzlich seine Tätigkeit ein. 1932 hat man künstlich mit Bohrungen eingegriffen und konnte den Geysir für ca. 20 Jahre reaktivieren. 1992 hat dann aber die isländische Naturschutzbehörde nach allerlei weiteren meist frustranen Manipulationen den Geysir unter Naturschutz gestellt. Durch tektonische Verschiebungen scheint sich der Geysir aber in den letzten Jahren eher wieder zunehmend zu beleben. Der direkt benachbarte Geysir Strokkur ist jedoch ohnehin ein vollwertiger Ersatz, seine Fontäne springt bis zu 20 m hoch.

6.8.2002 – 2. Tag

Von Geysir nach Hveravellir

Vorgenommen haben wir uns für heute die Strecke von Geysir über Gullfoss und dann weiter über die eine der beiden großen Innlandpassagen, die sogenannte „Kjölur“ nach Norden durchs Hochland bis zum Thermalgebiet Hveravellir. Diese Route, wie auch die andere Hochlandpassage, die Sprengissandur werden schon seit der Landnahme genutzt. Offen sind sie von Ende Juli bis Anfang September und auch dann sind sie nur mit allradgetriebenen geländegängigen jeepähnlichen Fahrzeugen befahrbar. Zunächst erreichen wir nur wenige Kilometer nach Geysir den Wasserfall Gullfoss, eine Stufe des Gletscherflusses Hvítá. Der Gullfoss besteht aus zwei rechtwinklig zueinander stehenden Fallstufen von insgesamt 32 m Tiefe. Es wird erzählt, daß es nur dem unermüdlichen Einsatz und Widerstand eines benachbarten Bauern und seiner Tochter um 1920 zu verdanken ist, daß der Gullfoss nicht an ein englisches Unternehmen zur Energiegewinnung verkauft wurde. Heute steht der Wasserfall unter Naturschutz.

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Dann auf die Kjölur, eine menschenleere Einöde mit braungrauem Schotter und riesigen Gesteinsblöcken, die nach Rückgang der Vergletscherung bei Ende der Eiszeit liegenblieben. Am Tafelberg Bláfell wird ein kleiner Pass auf 700 m Höhe erreicht, hier bestaunen wir einen riesigen Steinmann. Steinmänner sieht man auf Island überall, sie dienten wohl als Orientierung, auch wenn die Routen verschneit waren. Der Steinmann am Bláfell aber übertrifft an Höhe alle anderen Steinmänner und erscheint uns nicht mehr manuell, sondern maschinell angelegt. Trotzdem legen auch wir einen weiteren Stein dazu. Weiter nördlich gelangen wir zum Gletschersee Hvitárvatn am Gletscher Langjökull. Den Abzweig zur grasbestandenen Oase Hvítárnes am See übersehen wir leider, dieser Flecken soll nämlich besonders zauberhaft sein, wie im Führer steht und uns später von Islandkennern bestätigt wird. Aber ohne Hinweistafeln und ohne die Spur eines Tracks getrauen wir uns nicht, durch die Gesteinswildnis zu fahren. Bald kommt westlich ein zweiter riesiger Gletscher, der Hofsjökull mit ins Bild, so daß wir uns nun zwischen zwei Gletschern befinden. Jetzt wird die Landschaft noch wüstenähnlicher, fast vegetationsfrei in Form einer von Stürmen ausgeblasenen grauschwarzen Kies-Lava-Fläche. Wir erreichen schließlich nach 98 km Hveravellir (=Ebene der heißen Dämpfe). Wir kommen unter in einer Berghütte des Isländischen Wandervereines, des „Ferdafélag Islands“. Die Hütte ist recht unordentlich oder wie wir in Westfalen sagen „rödelig“ – und das gilt insbesondere für die Küche. Zu unserem Pech kommen abends noch ca. 25 Reiter an, mit denen wir den Schlafsaal teilen müssen. Lärm und Unruhe sind bis weit nach Mitternacht unerträglich und überhaupt nur überstehbar durch den kompensatorisch hochgedrehten Minidiscman mit Liedern des ja auch nicht gerade leisen Herbert Grönemeyer auf dem Kopfhörer.

Nach der Ankunft am Nachmittag und erneut kurz am etwas nebeligen nächsten Morgen besuchen wir das direkt an die Berghütte angrenzende Hochtemperaturgebiet mit heißen Quellen, Dampfaustritten und Schwefelsinterungen. Besonders eindrucksvoll der Sinterkegel Öskjuholt, was Donnerkegel bedeutet – und so klingt er auch! – und eine braunrote und eine türkisfarbene heiße Quelle. Letztere heißt Meyrarauga (=Mädchenauge). In der Luft hängt ein Schwefelgeruch, der uns auf Island überall im Bereich von Thermalquellen begegnen wird. Auch das heiße Wasser in Pensionen und Hotels riecht nach Schwefel, dagegen ist das kalte Wasser überall rein und erfrischend im Geschmack. Direkt neben der Hütte ist ein kleiner Naturbadepool gelegen, der aus zwei Wasserleitungen gespeist wird. Aus der einen kommt Wasser mit 4 °C, aus der anderen mit 85 °C heraus und es gilt, die richtige Mischung einzustellen.

7.8.2002 – 3. Tag

Von Hveravellir nach Akureyri

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Nördlich von Hveravellir endet die Gletscherlandschaft und wird von einer Grundmoränenlandschaft abgelöst. Nach und nach tauchen erste Bachläufe auf, gesäumt von leuchtend grünen Moosen. Dann allmählicher Übergang in eine heideartige Vegetation entsprechend einer Tundrenlandschaft. Charakteristisch sind die durch ständiges Frieren und Wiederauftauen entstandenen Buckelwiesen. Am Blöndulon-Stausee versuchen wir dann erstmalig, Bernds neuen Spirituskocher in Betrieb zu nehmen zur Bereitung einer kräftigenden Suppe und eines belebenden Kaffees. Bei dem Versuch bleibt es allerdings, denn es stellte sich heraus, daß wir in Reykjavik statt Brennspiritus einen Grillanzünder gekauft haben, der aber partout im Kocher nicht brennen will. Also mit einem Schluck kalten Wassers aus der Pulle und einem Aldi-Müsliriegel weiter Richtung Akureyri. Nach insgesamt 85 km erreichen wir die Ringstraße Nr. 1, die durch Gebirgsschluchten und grüne Täler vorbei an noch schneebedeckten Bergen nach Akureyri führt. Wir genießen nach den 2 Tagen auf der Schotterpiste der Kjölur den Luxus, wieder ohne durchgerüttelt zu werden auf Teer fahren zu können.

Akureyri ist mit 15.000 Einwohnern zweitgrößte Stadt Islands nach Reykjavik, sie wird auch die „Perle des Nordens“ genannt wegen ihrer reizvollen Lage am Ende eines tiefen Fjordes und ihres Charmes. Sie beherbergt übrigens Islands zweite Universität und weitere Akademien. Im Hafen liegt gerade das Kreuzfahrtschiff „Deutschland“, das kürzlich in Papenburg gebaut und in einer spektakulären Aktion durch die Ems in die Nordsee geschleppt worden ist.

Untergebracht sind wir in einem sog. Gistiheimili mit Namen Sólgardar, betrieben von einer älteren Dame, die im Obergeschoß ihrer Wohnung drei Zimmer und eine Schlafsackunterkunft vermietet. Das Zimmer und die angrenzende Küche sind groß, hell und freundlich. Letztere beschert uns als Entschädigung für die entgangene warme Mahlzeit am Blöndulon-See mehrere Tassen heißen Cappuccinos und eine von Bernd meisterhaft zubereitete Linsensuppe mit Knackwürstchen.

8.8.2002 – 4. Tag

Von Akureyri zum Myvatn

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Nach einem vorzüglichen Frühstück einschließlich vieler kleiner süßer „Teilchen“ im Wohnzimmer der alten Dame verabschiedet sich Akureyri von der gegenüberliegenden Seite des Fjordes mit einem schönen Panorama in der Morgensonne. Auf halber Strecke zum Myvatn kommen wir zum Godafoss (=Götterfall), einem der bekanntesten Wasserfälle Islands, obschon die Fallhöhe „nur“ 12 m beträgt. Nach der Überlieferung soll der Gode und Gesetzessprecher Porgeir Ljósvetningagodi nach der Annahme des Christentums im Jahre 1000 seine heidnischen Götterstatuen hier am Godafoss den Fluten anvertraut haben. Nach weiteren ca. 45 km erreichen wir den Myvatn (=Mückensee), ein Eldorado für Ornithologen und Vulkanologen. Während der Sommermonate bevölkern Zehntausende von Wasservögeln die vielen kleinen Inseln und die z.T. dicht bewachsenen Ufer. Alle 15 auf Island nistenden Entenarten sind hier vertreten, dazu kommen die Zugvögel, die auf ihrem Weg hier Zwischenstation machen. Das Nahrungsangebot für die Vögel ist reichlich. Im Sommer können die Mückenschwärme so dicht werden, daß man kaum hindurchsehen kann. Zum Glück sticht diese Mückenart nicht, die kleinen Insekten kriechen aber in Nase und Ohren, so daß man an manchen Tagen besser eine Gazehaube tragen sollte. Aus dem Myvatn werden übrigens pro Jahr 20 Tonnen Forellen gefangen, sicher auch ein Hinweis auf den für Wasservögel reich gedeckten Tisch.

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Am Südufer des Sees stoßen wir bei Skutustadir auf die sog. Skútustadagígar, die Pseudokrater. Enstanden sind diese Pseudokrater durch Wasserdampfexplosionen, als bei vulkanischen und tektonischen Aktivitäten Wasser des Myvatn in die Tiefe dringen konnte, druckbedingt und durch Kontakt mit flüssiger Lava auf weit über 100°C aufgeheizt wurde und sich dann in Form von Eruptionen immer wieder unter Auftürmen zahlreicher Aschekegel entlud.

Am Westufer des Sees erreichen wir ein ca. 1 km2 großes eingesunkenes Gebiet namens Dimmuborgir (=dunkle Burgen). Entstanden ist dieses Naturwunder dadurch, daß ein gerade im Erstarren begriffener aber teilweise auch noch flüssiger Lavasee durch anhaltenden Druck zum Myvatn durchbrechen konnte, wobei die schon starren Lavamassen in bizarrer Formenvielfalt stehenblieben und die noch flüssige Lava abfloß. In dieser atemberaubenden Landschaft nehmen wir jetzt endlich unseren kleinen Kocher mittels in Akureyri an der Tankstelle gekauften echten Spiritus in Betrieb. Jetzt haben wir auf einmal das gegenteilige Problem: nach getaner Arbeit ist der Kocher kaum noch auszukriegen, beim Versuch des Auspustens versenge ich mir die Barthaare.

Am Nachmittag erreichen wir den Hauptort am Myvatn, Reykjahlid. Wir sind untergebracht in einem Flachbau, auch eine kleine Küche ist auf dem Flur vorhanden. Frühstück gibt es fünf Bungalows weiter im Wohnzimmer einer isländischen Familie, die jeden Morgen extra dafür die Möbel ausräumt und drei große Eßtische aufbaut.

Nach dem Einchecken besuchen wir bei schon schwächer werdendem Licht noch das Hochtemperaturgebiet Námafjall nordwestlich des Sees. Hier finden wir heiße Quellen, fauchende Dampfkegel, blubbernde Schlammtöpfe und die sog. Solfataren, flächige gelb-rot-braune Schwefeldampfaustritte, die der Landschaft teils unwirklich erscheinende Farben verleihen. Früher wurde hier Schwefel für die Schießpulverproduktion gewonnen und mittels der Energie des heißen Dampfes getrocknet. Heute wird Kieselgur aus dem See gesaugt, getrocknet und exportiert.

Nach einem guten Abendbrot auf unserem Zimmer wollen wir uns eigentlich schon zur Ruhe begeben, als sich draußen plötzlich der Himmel rot verfärbt. Also den Fotorucksack aufgeschnallt, Stativ geschultert und raus an den See. Wir können noch manche zauberhafte rot-orange-goldene Lichtstimmung einfangen. Besonders eindrucksvoll ist aber in der darauf folgenden blauen Stunde die dunkle Silhouette von 3 Inseln zwischen blauvioletten Farbspielen am Himmel und den entsprechenden Spiegelungen auf dem Wasser.

9.10.2002 – 5. Tag

Fahrt zur Askja

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Dieser Tag ist ganz der Fahrt zum Askja-Massiv vorbehalten. Wir wissen, welch langer, furtenreicher und damit schwer passierbarer Weg auf uns zukommen würde, nämlich eine teils nur trackartig ausgebaute Strecke von 113 km pro einfacher Distanz. Also konnten wir keinesfalls mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von mehr als 20 km/h rechnen. Insgesamt würde dieses Unternehmen kaum an einem einzigen Tag zu bewältigen sein, wenn wir gleichzeitig auch noch die Landschaft genießen und fotografieren wollten. Gut aber, daß schließlich doch die Entscheidung für diese Tour gefallen ist. Trotz eines durchgehend bedeckten Tages mit immer wieder Nieseln und zuletzt auch mit Regen gehört dieser Abstecher zu den Highlights unserer Islandreise. Und das, obwohl wegen des schlechten Wetters die fotografische Ausbeute nur beschränkt war. Erster Stop schon bald nach Verlassen der ausgebauten Teerstraße an der Hrossaborg (=Rösserburg), in der vorautomobilen Zeit ein Rastplatz für Pferde. Die Hrossaborg ist ein 50 Meter hoher Krater, der seitlich durch einen Gletschervorstoß aufgerissen und damit bereitbar, begehbar und heute auch befahrbar wurde. Der Krater ist ca. 10.000 Jahre alt.

Dann treten wir einmal mehr ein in die Wüstenlandschaft des isländischen zentralen Hochlandes. Wir sehen eine nur noch sehr spärliche Vegetation von Gräsern, Moosen und Flechten. An feuchten Stellen hat sich das als violetter Farbklecks schon von weitem erkennbare arktische Weidenröschen angesiedelt. Dann fahren wir über komplett vegetationsfreie Lavafelder, die erst in den letzten Jahren für Autos einigermaßen passierbar gemacht worden sind. Schließlich die erste tiefe Furt: der Lada steht bis zur halben Türhöhe unter Wasser. Jetzt die Differentialsperre rein und nur den Motor nicht ausgehen lassen. Wieder auf dem Trockenen wundert uns, daß kein Wasser in den Innenraum eingedrungen ist. Dummerweise hatte uns aber niemand gesagt, daß vor Furtquerungen die auf Island vorschriftsmäßig auch tagsüber brennenden Lampen ausgeschaltet werden müssen. So kommt es zur Explosion (oder war es eine Implosion?) der Birnchen und damit zum Ausfall beider Frontscheinwerfer.

Am Herdubreid, dem wie viele sagen schönsten Berg Islands, einem 1682 m hohen Schildvulkan erreichen wir die Oase Herdubreidalindir. Noch einmal Kriegsrat bei einer Tasse Cappuccino, ob wir weiterfahren sollen, oder besser doch umkehren. Wir fahren weiter und kommen zur wilden Schlucht der Jökulsá á Fjöllum, einem der größten Gletscherflüsse Islands, der uns einige Tage später im Norden am Dettifoss und Echofelsen wiederbegegnen wird. Das schmutziggraue Gletscherwasser zwängt sich hier tosend durch eine schmale Rinne und erreicht dadurch eine erhebliche Geschwindigkeit. Wieder unterwegs auf der Piste schiebt sich immer mehr das 250 km2 große Vulkanmassiv des Dyngjufjöll mit dem alles beherrschenden Vulkan Askja in den Vordergrund. Die schwarze Lava- und Aschenwüste zeigt jetzt zunehmend eine weiße Bimsbestreuung. Der entstehende Schwarz-Weiß-Kontrast ist ästhetisch atemberaubend. Die Einsamkeit in dieser menschenleeren Region erscheint uns manchmal schon fast etwas beängstigend und so beruhigt es, wenn wir hin und wieder auf gelbe Wegweiser treffen, die uns zeigen, daß wir noch auf der richtigen Spur sind. „Spaßvögel“ haben allerdings an manchen Stellen diese Wegweiser verdreht, was wir Dank unserer Karte erkennen, aber wenig spaßig finden.

Am Askja-Massiv erreichen wir die Drachenschlucht (Drekagil), die wir einige hundert Meter weit zu Fuß verfolgen, aber wegen der Dunkelheit und Enge nicht fotografieren können. Wir haben den Eindruck, in einem Höllenschlund zu stecken, haben auch Angst vor Steinschlag und ziehen uns respektvoll aus den hunderte Meter hohen engen Wänden zurück. Wir bedauern, nicht eine Übernachtung in der am Schluchteingang stehenden Hütte des Isländischen Wandervereines gebucht zu haben. Zwischenzeitig hat es angefangen, heftig zu regnen. Wir fahren dennoch die 8 km zum Ende des Tracks weiter in Richtung der beiden Kraterseen Öskjuvatn und Viti, die eine sog. Caldera, einen Einsturzkessel der Askja füllen. Auf den etwa halbstündigen Aufstieg zu diesen beiden Seen müssen wegen des Regens und der vorgerückten Stunde verzichten. Wir lesen, daß die Caldera mit den beiden Seen erst 1875 entstanden ist bei einem verheerenden Ausbruch der Askja. Dieser Ausbruch führte zu einem unvorstellbar fürchterlichen Ascheregen, der sich auf einer Fläche sechs mal so groß wie Island verteilte. 3000 Menschen wurde auf Island durch die Aschebedeckung der Wiesen und Felder die Existenzgrundlage entzogen, sie verließen ihre Heimat und wanderten aus nach Nordamerika.

Wir treten im Regen die Rückfahrt an auf dem gleichen Track wie auf dem Hinweg, allerdings schwellen die Furten wegen des Regens heftig an und die Querungen gestalten sich noch abenteuerlicher. Während der langen Rückfahrt verarbeiten wir schweigend die erlebten Landschaftseindrücke und erreichen erst bei Einbruch der Dunkelheit wieder unser Quartier am Myvatn.

10.8.2002 – 6. Tag

Vom Myvatn nach Husavik über Dettifoss und Hljódaklettar

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Für heute steht an die Fahrt nach Husavik, einer kleinen Stadt im Norden am Skjálfandi-Fjord auf der Halbinsel Tjörnes. Erste Station ist die Krafla, ein noch recht aktiver Vulkan nordöstlich des Myvatn mit seinem Kratersee Mar Víti und einem Hochtemperaturgebiet mit blubbernden Schlammtöpfen, Solfataren und Dampfaustritten. Hier begann 1724 die Ausbruchsserie der Krafla, die heute als Myvatnseldar (=Myvatnfeuer) bekannt ist und bis 1729 andauerte. Die Kirche in Reykjahlid am Myvatn, in die sich die Siedler geflüchtet hatten, blieb wie durch ein Wunder verschont. Obwohl sie nicht auf einer Anhöhe steht teilte sich 50 Meter vor ihr der Lavastrom und umfloß die Kirche dicht auf beiden Seiten, wovon man sich noch heute eindrucksvoll überzeugen kann.

Wir fahren dann nicht über die östliche F864, sondern über die westliche ganz schlecht ausgebaute, aber landschaftlich schönere F862 entlang der Jökulsá á Fjöllum zum Dettifoss, dem größten Wasserfall Europas. Das schmutziggraue Gletscherwasser stürzt hier auf einer Breite von 100 m 44 m tief in eine Schlucht. Oberhalb und unterhalb des Dettifoss liegen weitere sehenswerte Wasserfälle, so der Selfoss und der Hafragilsfoss, die wir aber nicht mehr besuchen. Der Dettifoss wird uns wegen zweier Begebenheiten für immer im Gedächtnis bleiben: Zum einen kam ich in gefährlicher Position schon auf verbotenem Terrain direkt am Abgrund auf dem wegen des Sprühnebels glitschigen Untergrund zu Fall und zertrümmerte mir eine meiner beiden Leica R8, blieb aber anders, als eine Touristin, die hier im Vorjahr tödlich abstürzte, unverletzt. Zum anderen fanden wir auf dem Weg zum Dettifoss die Geldbörse eines Schweizers aus Montreux mit Personalausweis, mehreren Bank- und Kreditkarten und einer Menge Islandkronen und Schweizer Franken sowie weiteren Papieren. Die durchweichte Geldbörse geben wir am Abends an unserem Etappenziel Husavik auf der Polizeistation ab. Sicherheitshalber schreiben wir dem Schweizer Islandfreund von unserem Fund. Sehr nachdenklich fahren wir vom Dettifoss weiter der Jökulsá entlang nach Norden.

Nach ca. einer Stunde Fahrt erreichen wir ein weiteres Naturspektakel, eine Schlucht namens Hljódaklettar (=Echofelsen). Diese Schlucht ist von die Phantasie anregenden Felsformationen ausgefüllt, die teilweise muschelförmig bzw. kuppelförmig geformt sind und ein Echo des weit entfernten Flusses erzeugen, so daß man meint, der Fluß verliefe auf der entgegengesetzten Seite. Daher der Name Echofelsen. Die Felswände sind mit grauen und schwarzen Basaltformationen geschmückt, leider wird das Licht schlechter, so wird die volle Schönheit dieser Schlucht womöglich auf den Dias nicht ganz herauskommen. Diese einmalige Landschaft verdankt ihre Entstehung der Tatsache, daß vor ca. 8000 Jahren im Bereich des Flußbettes eine Spalte aufriß und aufsteigendes glühendheißes Magma in Kontakt geriet mit dem darüber hinwegfließenden Fluß, was zu heftigen Explosionen und Felsaufwürfen führte. Die weicheren Gesteinsschichten wurden dann im Laufe der Jahre vom Fluß abgetragen, die bizarren Basaltformationen sind stehen geblieben.

Da wir noch immer ohne Licht fahren (wir können nicht erkennen, wie man die Scheinwerfer zum Birnentausch öffnet) und die Dämmerung hereinbricht müssen wir von den Echofelsen aus mit Volldampf die Halbinsel Tjörnes entlang der Steilküste zum Polarmeer umrunden und können weder dort noch an den Felsen von Ásbyrgi aussteigen, um zu fotografieren. Bei Einbruch der Dunkelheit erreichen wir Husavik.

In Husavik steigen wir ab im Gistiheimili Árból, einer sauberen professionellen Herberge mit Niveau. Nach einem Stadtbummel und Abgabe der gefundenen Geldbörse auf der Polizeistation wollen wir ausnahmsweise einmal richtig essen gehen. Leider ist das Fischlokal Gamli Baukur direkt am Hafen, das wir aus einem Videofilm über Island kennen an diesem Abend ausgebucht und wir essen nebenan im Lokal Bakkinn. Bernd kapituliert vor einer im Durchmesser 16 Inch großen Pizza, ich schaffe meinen Fisch auf Curryreis soeben. Das Leben auf Island ist übrigens unverhältnismäßig teuer. Ein warmes Essen kostet zwischen 40 und 80 DM, ein Hamburger um 25 DM, eine Dose Bier um 15 DM. Bier gibt es nur in speziellen Alkoholverkaufseinrichtungen und in lizensierten Lokalen. In Supermärkten wird lediglich Leichtbier mit bis zu 2,5% Alkohol verkauft. Insgesamt kann man sagen, daß auf Island fast alle Artikel 2-3 mal so teuer sind wie in Deutschland. Nach dem Abendessen bauen wir noch in der blauen Stunde unsere Stative im Hafen auf, um einige Available-Light-Impressionen einzufangen. Nachgetragen werden muß noch, daß der Hafen von Husavik Ausgangspunkt der sogenannten Wal-Watching-Bootstouren ist. Die Chance, bei einer Walbeobachtungstour auch wirklich einen dieser großen Meeressäuger zu erspähen soll bei nahezu 100% liegen. Unser ganz eigener Tourplan sieht aber keine Walbeobachtung vor, ganz im Gegenteil soll es ja morgen wieder in die Wüste gehen und wir studieren vor dem Einschlafen noch das Kartenmaterial und die Literatur.

11.8.2002 – 7. Tag

Husavik über die Sprengissandur bis Nyidalur

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Wir verlassen Husavik nach morgendlichem nochmaligen kurzen Stop im Hafen, fahren den Fjord runter nach Süden, passieren den uns ja schon bekannten Godafoss und nehmen dort den Einstieg in den sogenannten Sprengissandurvegur, die neben dem Kjölurvegur zweite, aber noch längere und noch einsamere Nord-Süd-Hochlandpassage. Der Sprengissandurvegur ist schon allein bis zur nächsten immer noch im unbesiedelten Hochland liegenden Tankstelle in Hrauneyjar 245 km lang. Gefürchtet wird diese Passage von alters her wegen ihrer plötzlich auftretenden Stürme, die selbst im Hochsommer zu Schneestürmen werden können. Die Pferde wurden hier angehalten, schneller zu laufen, über die Sandurflächen vorwärtszu „sprengen“ (=springen), daher Sprengissandur. Erster Stop am Aldeyjarfoss, dem für uns schönsten Wasserfall Islands, was aber vielleicht auch an dem wunderbaren Sonnenschein dieses Vormittages liegt. Der Aldeyjarfoss ist umgeben von interessanten Basaltsäulenstrukturen in rötlich-braunen und ockerartigen Farben, die zu ausgiebigen Kameraeinstellungen und fotografischen Gestaltungen anregen.

Dann fahren wir ca. 100 km lang durch fast vegetationsfreie schwarze Kies- und Lavalandschaften. Erst mit der Annäherung an unser Tagesziel, die Berghütte Nyidalur am Gletscher Tungnafellsjökull (1520 m) treten wieder kleine Bachläufe mit begleitender Vegetation durch Pionierpflanzen auf und es sind auch wieder tiefe Furten zu durchqueren. Eine nicht ganz leichte Aufgabe für ein deutsches mit Motorrädern reisendes Paar, das wir unterwegs treffen und fotografieren. Unser immer noch ohne Frontscheinwerfer fahrender Lada Niva zeigt aber auch hier wieder souverän seine amphibischen Qualitäten (nach dem Motto: Augen zu und durch!).

Die Berghütte Nyidalur wird wie die in Hveravellir vom Ferdafélag Islands bewirtschaftet. Hier aber führt im Gegensatz zur letzteren ein junges Paar ein eisenhartes Regime. Entsprechend ist alles sauber und ordentlich, nicht zuletzt die Küche. Wir erhalten eine Abmahnung, als wir (selbstverständlich haben wir unsere Bergschuhe schon draußen ausgezogen) kurz mit den Badelatschen vor die Tür treten und sie bei Wiedereintritt nicht ausziehen. Die Küche ist gut eingerichtet und ist Treffpunkt für die wenigen Gäste aus den 4 Schlafsälen und vom angrenzenden Campingplatz. Wir treffen eine italienische Motorradgruppe (die ein mehrgängiges italienisches Menü zelebriert), einen dänischen Extremradfahrer, der sich als Tour eine Schrägdurchquerung Islands am Rande der Gletscher von Egilsstadir bis Reykjavik vorgenommen hat und ein zu Fuß bzw. mit Linienbus reisendes junges deutsches Studentenpaar. Die jungen Leute erzählen uns, daß die Übernachtung im Zelt pro Person 25 DM kostet, eine warme Dusche dann fast noch einmal so viel. Wir beschränken uns auf eine kalte Katzenwäsche am draußen gelegenen offenen Becken.

Es beginnt noch nachmittags heftig zu regnen. Trotzdem erkunden wir die Umgebung der Hütte, was ohne Gummistiefel wegen der zahlreichen Bachläufe gar nicht so leicht ist. Wir hoffen, daß der Regenglanz auf Steinen und Moos in den Dias herauskommt. Die Nacht im Schlafsaal verläuft verhältnismäßig ruhig, mit uns nächtigt nur der Däne. Allerdings toben anfänglich im Nachbarsaal noch 90 Minuten lang zwei Kinder, so daß wieder der Minidiscman gefragt ist, diesmal mit den Direstraits.

12.08.2002 – 8. Tag

Sprengissandur 2. Teil bis Hrauneyjar

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Wir öffnen die Augen und können es kaum glauben: draußen lacht die Sonne. Die umgebenden Berge haben sich allerdings in der Nacht runter bis fast auf unsere Höhe mit Neuschnee geschmückt. Nach einem kleinen Frühstück – kostenlos aus den in der Küche vorhandenen Vorräten – geht es wieder auf den Sprengissandurvegur Richtung Süden. Erneut viele Kilometer nur Lava, Asche, Kies, Gesteinsbrocken. Dann treten nach und nach Wasserrinnen auf, die zu Bächen mit Randbewuchs zusammenfließen und weiter südlich in zahlreichen Stauseen zur Wasserenergiegewinnung enden. Wir halten uns heute unterwegs kaum auf, da wir so früh wie möglich unser Etappenziel erreichen wollen, um nachmittags noch nach Landmannalaugar zu fahren.

Unsere Unterkunft ist diesmal eine Containerburg mitten in der sonst menschenleeren Einöde, wohl übriggeblieben aus der Zeit der Kraftwerksbauarbeiten und jetzt Basislager für die Erkundung der umgebenden Gebirgslandschaften. Unser winziges Zimmer ähnelt einer Schiffskabine mit Doppelstockbett. Wir machen uns nach dem Einchecken bei wunderbarem Licht sofort auf nach Landmannalaugar, einem farbigen Gebiet von rötlichen Rhyolitbergen mit Obsidianströmen und leuchtendgrünem Moosbewuchs, dazwischen dunkelblaue und türkisfarbene Seen.

Wir steigen von der an einer heißen Quelle gelegenen Berghütte aus in das Felsmassiv ein, durchqueren eine spiegelnde Lavalandschaft und erreichen nach 2 Stunden einen Sattel mit Dampfaustritten und Solfataren, vor allem aber mit einem grandiosen Rundumblick, der zu ausgiebiger fotografischer Dokumentation anregt. Nur schwer können wir uns wieder lösen, so farbenprächtig ist die Umgebung. Auf dem Rückweg umrunden wir diesmal das Lavafeld, um schneller voranzukommen, denn es zieht ein Unwetter auf. Vielleicht hätten wir auch noch trocken unseren Lada erreicht, wenn nicht unterwegs weite Wollgraswiesen zum Verweilen angeregt hätten, so aber werden wir das einzige mal auf Island so richtig naß.

Abends leisten wir uns im Containerrestaurant einen sündhaft teuren Hamburger, erleben aber auch, daß man seine Tasse Kaffee für ca. 4 DM so oft nachfüllen kann, wie man will. Während des Abendessens stößt auch der dänische Extremradler wieder zu uns, sein Kalorienbedarf übersteigt den unsrigen ganz offensichtlich um den Faktor 2-3. Wir plaudern über Gott und die Welt, vor allem aber über Urlaub und Urlaubslandschaften. Unser dänischer Freund erzählt von Abenteuern aus der ganzen Welt, vor allem aber von Neuseeland und wir beginnen nachzudenken, wie wir unseren Frauen vermitteln könnten, daß wir unbedingt einmal nach Neuseeland müssen ….

13.08.2002 – 9. Tag

Die Umgebung von Hrauneyjar

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Wir bleiben noch einen weiteren Tag in Hrauneyjar, um die Umgebung dieser Hochlandregion zu erkunden. Durch Zufall, weil wir uns verfahren haben (wir konnten nämlich nicht glauben, daß das Bachbett vor uns die Straße zu einem von uns gesuchten historischen Gehöft sein sollte und kehrten um) entdeckten wir ein kleines Tal mit einer Bach- und Wasserfalllandschaft namens Gjáin. Der größte dortige Wasserfall trägt den Namen Gjárfoss. Das Tal ist mit dichter Vegetation bestanden, speziell reichlich mit Engelswurz und wirkt in der umgebenden Lavawüste wie eine kleine idyllische Oase. Dann geht es doch noch nach vorheriger zu Fuß durchgeführter Erkundung den zum Bachbett gewordenen Weg weiter zur historischen Hofanlage Stöng aus der Landnahmezeit. Dieser Hof wurde im Jahre 1104 durch einen Ausbruch des ca. 20 km entfernten Vulkanes Hekla verschüttet und erst in letzter Zeit wieder ausgegraben. Die gefundenen Relikte aus der damaligen Zeit sind in Museen untergebracht. Stöng besteht heute eigentlich nur noch aus den Grundmauern, die man zum Schutz überdacht hat. Wir stellen fest, das auch wir genau an dieser Stelle unseren Landsitz gebaut hätten, so schön sind Lage und Ausblick.

Wir können dann bei ständig wechselnden Lichtstimmungen und abenteuerlichem Wolkenspiel noch manchen Landschaftseindruck festhalten, bevor wir zu einem zweiten vom großen Heklaausbruch verschütteten, diesmal aber vollständig restaurierten Hof namens Pjódveldisbaer kommen. Der Hof ist in der ursprünglichen Torf-Holzbauweise wiederaufgebaut worden und beeindruckt durch großzügige weite Innenräume. Leider ziehen dann derart dunkle Wolken auf und es beginnt zu schütten, daß wir unseren Plan, noch zur Hekla zu fahren aufgeben müssen und froh sind, wieder in unserer Containerburg unterkommen zu können.

14.8.2002 – 10. Tag

Von Hrauneyjar nach Skaftafell

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Wir machen uns sehr früh auf den Weg, da wiederum eine lange, teils unwegsame Strecke durchs Hochland und dann noch einmal gute 100 km Richtung Osten auf der südlichen Ringstraße vor uns liegen. Wir passieren das uns ja schon bekannte farbenfrohe Landmannalaugar-Gebiet und kommen dann in eine schwarze Lavalandschaft mit vielen und teils auch tiefen im Gegenlicht glitzernden Furten und atemberaubenden Lavaschwarz-Moosgrün-Kontrasten. Wir durchqueren die Eldgjá, einen bis zu 270 m tiefen und 5 km langen sog. Explosionsgraben. Im Jahre 934 n.Chr. riß hier eine ganze Landschaft auf. Die Eldgjá förderte die unvorstellbar große Menge von 10 Milliarden Kubikmetern Lava, die gegen Süden floß und zu einer Umgestaltung der Südküste beitrug: Ehemalige Inseln und Klippen stehen durch Verlandungsprozesse heute sozusagen auf dem Trockenen. Von der Eldgjá können wir keine Fotos machen, wir hätten unseren Weg verlassen und zu Fuß in die Schlucht eindringen müssen. Statt dessen haben wir wieder einmal unseren kleinen Spirituskocher in Betrieb genommen und mitten im Lavafeld Brotzeit gehalten. Kurz vor Erreichen der Ringstraße Nr. 1 sehen wir nach hunderten von siedlungsfreien Kilometern durchs Hochland wieder Höfe. Uns begeistern vor allem die zahlreichen Islandponys, sogenannte Halbpferde, die auf Island seit Jahrhunderten artenrein, oder biologisch richtiger ausgedrückt rasserein weitergezüchtet werden. Es ist gesetzlich festgelegt und wird auch streng überwacht, daß kein außerisländisches „Fremdblut“ eingekreuzt werden darf. So darf ein Islandpferd, das aus welchen Gründen auch immer Island verlassen hat nie wieder zurück auf die Insel. Überall im Hochland sehen wir zudem zigtausende Schafe bis hoch in die höchsten Hänge hinauf; wie die im Herbst alle eingesammelt werden können, kommt uns spanisch, pardon: isländisch vor.

Auf der Ringstraße kommen wir schließlich schnell voran. 25 km vor Skaftafell besuchen wir eine kleine Torfkapelle aus dem 17. Jh., die zum Gehöft Núpsstadur gehört, heute aber unter der Obhut des Nationalmuseums steht. Der alte Bauer sitzt auf einem Stein vor der Kapelle und läßt sich bereitwillig fotografieren. Auf einer Wiese nebenan hat sich jemand die Mühe gemacht, einen Oldtimer gelb und rot anzustreichen. Da dieses Schmuckstück auch noch mit schwarzen Reifen auf grüner Wiese vor blau-weißem Himmel steht ist es ein Parade-Fotomotiv unter der Überschrift „Farben“, zwar nicht unbedingt islandtypisch, aber allemal ein Dia wert.

Noch am späten Nachmittag erreichen wir unsere Unterkunft, das Gästehaus Bölti. Bölti ist ein ehemaliges Gehöft, heute aber im Besitz einer alten etwa 85jährigen Dame (vielleicht ist sie auch schon 100?), die in jedem auch noch so kleinen Winkel ihres Hauses Gäste beherbergt.

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Wir machen uns sofort zu Fuß auf zu einer benachbarten Schlucht und kommen zum eindrucksvollen Wasserfall Svartifoss. Über senkrechte wie Orgelpfeifen stehende schwarze Basaltsäulen fällt das Wasser herab. Bei untergehender Sonne fotografieren wir im Streiflicht Details aus den Basaltstrukturen. Nach Wiedereintreffen bei „Oma Bölti“, wie wir sie liebevoll nennen, können wir bei angenehmer Außentemperatur draußen am Rande des Gletschers Skeidarárjökull sitzen und zu Abend essen. Dabei haben wir von dem am Hang gelegenen Haus einen weiten, fast unendlichen Blick über die Schwemmlandschaft des Skeidarársandur.

15.08.2002 – 11. Tag

Fahrt von Skaftafell nach Höfn über Jökulsárlón

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Unser vorletzter Tag auf Island. Wir bleiben noch diesen Tag bei Oma Bölti in Quartier. Ziel ist heute Höfn, eine kleine Stadt im Zentrum der südöstlichen durch Haffs und Nehrungen geprägten Küstenlandschaft. Höfn ist erst seit 1976 über die südliche Ringstraße erreichbar, nachdem man über die unendlich erscheinenden Schwemmlandflächen Dämme und Brücken gebaut hat. Dadurch ist die Hauptstadt Reykjavik heute nur noch 440 km entfernt, während man zuvor 1110 km über die nördliche Ringstraße fahren mußte.

Auf dem Weg nach Höfn kommen wir zum berühmten Jökulsárlón, dem Gletschersee des mit 8300 km2 größten Gletschers Europas, des Vatnajökull. Der Vatnajökull kalbt in den Jökulsárlón, wie man sagt, und so schwimmen in diesem Gletschersee weiße, blaue, schwarze und türkisfarbene Eisbrocken bis hin zu respektablen Eisbergen. Dazwischen tummeln sich Robben. Leider schlägt wieder einmal das Wetter um, es wird dunkel und beginnt, heftig zu regnen, so daß wir unsere fotografischen Aktivitäten bald einstellen müssen. Im Gegensatz zu zwei Fotokollegen mit Plattenkameras auf sperrigen Holzstativen (ich nenne diese Apparate „Starenkästen“), denen der aufkommende Sturm immer wieder das schwarze Tuch wegreißt und die ganz aufgeben müssen, gelingen uns Kleinbildamateuren aber wenigstens einige Schnappschüsse.

Der Weg nach Höfn entlang der Nehrungsküste ist verregnet. Dennoch können wir unterwegs nicht einem etwas morbide anmutenden Motiv widerstehen: ein verlassenes und verfallenes Anwesen, wahrscheinlich ein ehemaliges Fischerhaus sieht auch im Regen unter dunklen Wolken fotografisch recht vielversprechend aus.

In Höfn fragen wir uns zu einer Werkstatt durch, wo ein junger isländischer Mechaniker kompetent und schnell nach Abschrauben der Frontverkleidung (aha, so geht das also!) die Scheinwerfer unseres Lada wieder zum Leuchten bringt. Die Lampengehäuse werden fast liebevoll von Splittern ausgesaugt und trockengeföhnt. Da wir keine Rechnung benötigen und mit Cash zahlen wollen kostete die ganze Reparatur nur 2000 IKR, umgerechnet 50 DM. Dahingegen hätte eine Tankstelle kurz vor Höfn allein für die beiden erforderlichen Birnen ohne Einbau 2500 IKR von uns haben wollen. Ab jetzt können wir wieder mit Licht fahren und das ewige mahnende Anblinken durch entgegenkommende Fahrzeuge hat ein Ende. Wir sind auch deshalb froh über die erfolgreiche Reparatur, weil die von uns abgeschlossene schon maximale Luxusvollkaskoversicherung Scheinwerferschäden trotzdem nicht mit abgedeckt hätte und wir möglicher Willkür des Mietwagenunternehmens bei Umfang und Preisgestaltung der Reparatur ausgeliefert gewesen wären. Trotz Regens sammeln wir nach Verlassen der Werkstatt noch gutgelaunt fotografische Impressionen im Fischerhafen. Wieder bei Oma Bölti angekommen gibt es wegen des Regens nur eine kleine kalte Mahlzeit auf dem Zimmer und eine recht lange, weil früh begonnene Nachtruhe.

16.08.2002 – 12. Tag

Rückfahrt an der Südküste von Skaftafell nach Keflavik über Dyrhólaey

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Unser letzter Tag auf Island! Unvergeßlich das Frühstück bei Oma Bölti im Wohnzimmer. Alles voller fernöstlicher Kunstgegenstände, neben uns ein halbes Orchester an Musikinstrumenten und der Blick aus dem Fenster über die weiten Sanderflächen. Am Tisch mit uns 3 junge Paare: ein französisches Paar, der Mann spricht gut deutsch, ein weiteres französisches Paar, der Mann kommt aus dem Elsaß und spricht perfekt deutsch und ein italienisches Paar, mit dem wir uns englisch unterhalten. Uns alle einen die großartigen Eindrücke, die Islands Landschaften in unseren Köpfen und Herzen hinterlassen haben. Und da ja nun für uns der letzte Tag auf Island angebrochen ist und ein wenig Wehmut aufkommt, tut es gut, daß der Franzose uns vom Vésubietal und von St. Martin du Vésubie in den französischen Alpes maritimes erzählt. Und ganz zufälligerweise haben wir ja dort in der Nähe schon für das nächste Jahr bei unserer Freundin Rosel gebucht und planen, von Tourrettes aus über das Vésubie und Madone de fenêstre in den Parc national du Mercantour einzusteigen und bis Nizza zu wandern. Oma Bölti vergißt, das Müsli aufzutischen und entschuldigt sich tausendmal.

Vik

Gestärkt geht es jetzt das letzte mal auf die Ringstraße, diesmal nach Westen. Auf den nassen schwarzen Sanderflächen reizen uns noch grüne Moospolster und wollen unbedingt auf den Film. Nächster Tankstop mit Kaffee und viel zu süßem Kuchen aus dem Tankstellenrestaurant in Vik. Dort begeistert der schwarze Sandstrand mit den weißen auf ihm schäumend auslaufenden Brandungswellen und den steilen Kliffs im Hintergrund. Schon 20 km westlich von Vik das nächste Highlight: Dyrhólaey, eine vor ca. 100.000 Jahren vulkanisch entstandene, gegen Ende der letzten Eiszeit aber verlandete Insel mit Leuchtturm, steilem Kliff und großem Brandungstor. Dyrhólaey nimmt für sich in Anspruch das „Südkap Islands“ zu sein. An den steilen Klippen nisten Möwen und Papageitaucher, erstere können wir fotografieren, die uns aus den Führern bekannten putzigen Papageitaucher aber bekommen wir leider nicht zu Gesicht. Dieser Flecken Erde ist so eindrucksvoll, daß wir uns nur schwer lösen können. Abwärts vom Kliff finden wir noch eine versteinerte 3000 Jahre alte, dunkelbraun-schwarze von Wasser, Wind und Wetter zerfranste Düne, ein archaischer Anblick! Südwestwärts im Meer die Silhouette der Westmänner-Inseln, diesmal nicht im Tourprogramm aber vielleicht ein Ziel beim nächsten Islandurlaub…?

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Nun aber „on the road again“ und schnell die schlappen 370 km bis Keflavik ohne Pause durchgefahren, denn der Flieger wartet nicht auf uns und wir haben uns ja noch ein letztes, diesmal mehr entspannendes Highlight, nämlich den Besuch der Blauen Lagune dicht vor dem Airport vorgenommen. Dort kommen wir bei untergehender Sonne an und können uns im warmen, teils auch heißen Wasser aus der Naturquelle von der Autofahrt erholen. Unvergessen, aber leider mangels einer wasserdichten Kamera nicht dokumentiert der Moment, als jeder Badende der Blauen Lagune einen „Lagunendrink“ in türkis, grün oder rot bekommt und damit einem der neben ihm stehenden ca. 150 anderen Badenden zuprostet.